Herr Oberacher, Österreich gilt oft als Vorreiter für zukunftsorientierte Tourismusstrategien. Nun rückt auch Camping verstärkt in den Fokus. Warum wurde eigentlich Camping in Österreich lange unterschätzt?
Seit 2018 ist die Zahl der Nächtigungen von 5 auf über 8 Millionen gestiegen – ein Wachstum weit über dem Bundestrend. Obwohl Camping mit unter 10 % der Nächtigungen noch kein dominierendes Segment ist, haben veränderte Zielgruppen, Lebensstile und Preisstrukturen das Interesse der Touristiker geweckt. Erst durch gezielte Impulse aus der Branche, wie unsere Studie und den ersten Camping-Gipfel, rückte das Potenzial stärker in den Fokus.
Mit den Erkenntnissen Ihrer Studie: Kann Camping strukturschwächere Regionen wirtschaftlich stärken?
Definitiv. In Regionen, in denen Hotelinvestitionen schwer realisierbar sind, bietet Camping eine flexible Alternative, um wertschöpfungsstarken Tourismus zu generieren. Gleichzeitig nutzen auch etablierte Destinationen das Segment, um den Rückgang privater Ferienvermieter auszugleichen.
Saisonzeiten sind im Tourismus immer wieder ein Thema. Wie lässt sich die Saison für Campingbetriebe verlängern?
Der Schlüssel liegt in thematischen Angeboten: „Wellness & Camping“ in Thermenregionen, „Genuss, Kulinarik & Camping“ in Genussdestinationen oder „Bike & Camping“ in Aktivregionen sprechen gezielt Gäste an, die außerhalb der Hauptsaison reisen.
Österreich ist in vielen Bereichen ein touristischer Frontrunner. Welche wirtschaftlichen Effekte hat das Thema Camping für Österreichs Tourismus?
Campinggäste geben rund zwei Drittel ihrer Ausgaben außerhalb des Campingplatzes aus – sei es in Gastronomie, Handel oder Freizeitaktivitäten. Hochrechnungen zeigen, dass Camping jährlich eine halbe Milliarde Euro in Österreichs Tourismusregionen bringt und bis zu 9.000 Arbeitsplätze sichert.
Welche Trends bestimmen die Zukunft des Campingtourismus?
Das Segment wird vielfältiger: Glamping, Vanlife und Miet-Camping gewinnen an Bedeutung und sprechen neue Zielgruppen an. Gleichzeitig wird eine klare strategische Positionierung für Destinationen immer wichtiger, um sich im wachsenden Markt erfolgreich zu behaupten.
Wenn Sie an die nächsten 5 bis 10 Jahre denken: Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Campingbranche?
Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass der Wunsch nach Urlaub und Auszeiten in „naturnahen, nachhaltigen und qualitätsvollen Gegenwelten“ umso stärker wird, je mehr unser Alltag von Technologie, Komplexität, Urbanität und Anonymität geprägt wird. Camping hat da gute Voraussetzungen, steht aber im zunehmenden Wettbewerb. Jede Destination und jeder Anbieter, der sein Angebot klar profilieren, Zielgruppen gezielt ansprechen und auf höchste Qualität setzt, hat meines Erachtens aber super Chancen, im Campingsegment langfristig erfolgreich zu sein.